Mit dem JAC E-JS4 bringt Auto Kunz das zweite ­Modell der chinesischen Marke in die Schweiz. Das SUV zum Fixpreis überzeugt vor allem mit seiner Reichweite.

Autos von JAC sind nicht oft anzutreffen auf unseren Strassen – allerdings ist JAC eine der wenigen chinesischen Marken, die in der Schweiz überhaupt angeboten werden. Importiert werden die Fahrzeuge von Auto Kunz in Wohlen AG, und der E-JS4 ist bereits das zweite Modell der Marke nach dem E-S2. Dabei hat sich der Importeur selber um die Lokalisierung und die Anpassung an die Schweizer Bedürfnisse und Gesetze gekümmert. «Wir stehen fast täglich in Kontakt mit dem Verantwortlichen in China», sagte Kevin Baumann von Auto Kunz, der für den Import verantwortlich war. Dabei ging es einerseits um gesetzliche Vorgaben wie das Fahrgeräusch bei weniger als 30 km/h, das in China nicht vorgeschrieben ist. Andererseits benötigten die Fahrzeuge aber auch diverse Anpassungen, um den Anforderungen der Schweizer Kunden zu genügen. So beispielsweise eine Übersetzung des gesamten Systems in die deutsche Sprache, aber auch ein DAB-Radio musste nachgerüstet und im Infotainment einprogrammiert werden.

Weder im Innenraum noch bei der Technik findet sich ein Bauteil, das an VW erinnert oder aus dem Teileregal von Volkswagen stammt. In China ist das kompakte SUV auch mit einem Verbrennungsmotor erhältlich, sodass auch die Konstruktion des elektrischen Variante mit Elektromotor, Getriebe und Hochvoltelektronik vorne unter der Motorhaube konventionell ausfällt. Die Batterie ist vor der Hinterachse unter der Rückbank verbaut. Trotz nur 4.4 Metern Länge bietet der E-JS4 überraschend viel Platz, von der Batterie ist gar nichts bemerkbar. Bis unter die Laderaumabdeckung fasst der Kofferraum 520 Liter, bei umgeklappter Rückbank sind es sogar bis zu 1050 Liter. Allerdings stört die etwas hohe Ladekante, über die das Gepäck und die Einkäufe gehievt werden müssen.

Verzicht als Credo

Nicht nur im Kofferraum, auch auf den Rücksitzen bietet der kompakte Chinese grosszügig Platz, sodass auch Erwachsene relativ bequem sitzen können. Die Kniefreiheit ist zwar etwas eingeschränkt aufgrund des kurzen Radstandes, allerdings ist die Sitzposition angenehm. Im Gegensatz zu anderen Stromern, bei denen die Batterie im Unterboden die Fussraumwanne beschränkt, bietet der E-JS4 hier genügend Platz. Auch der Fahrersitz ist eher hoch im Auto platziert, was für ­eine einwandfreie Übersicht über das Strassengeschehen sorgt. Für den Fahrer gibt es eine elektrische Längen- und Höhenverstellung des Sitzes, der Beifahrer muss komplett auf eine elektrische Verstellung verzichten. Doch auch auf einiges anderes muss im E-JS4 verzichtet werden. Ein eingebautes Navi beispielsweise gibt es nicht, dieses wird ausschliesslich über das verbundene Handy via Apple Carplay oder Android Auto auf dem zentralen 10.25-Zoll-Bildschirm dargestellt. Allerdings wird es schwer, dies als Billigeigenschaft zu kritisieren, schliesslich setzt der 400 000 Franken teure Ferrari Purosangue auf das gleiche Konzept. Ansonsten ist die Bedienung der verschiedenen Funktionen des Infotainments nicht immer ganz intuitiv, und die deutschen Bezeichnungen sind wenig verständlich. Ausserdem reagiert der Touchscreen langsam auf Eingaben und wechselt selbständig zwischen verschiedenen Menüs. Die Bedienung der Klimaanlage geschieht über Touchknöpfe unterhalb des Bildschirms.

Verschiedene Details schmälern den Qualitätseindruck, so beispielsweise das Übermass an wenig hochwertigem Plastik. Auch bei den Assistenzsystemen hat man ordentlich gespart, sodass auf einen adaptiven Tempomaten, aber auch auf einen Totwinkel-Warner, einen Spurassistenten oder ­eine Verkehrszeichenerkennung verzichtet werden muss. Im Gegenzug wird in dem kompakt-SUV aber auch einiges geboten. So gibt es Ledersitze, Sitzheizung und ein Panorama-Glasdach. Auch eine 360-Grad-Kamera gehört dazu. Und alles ist serienmässig im Preis inbegriffen – die einzige Option, die es für den E-JS4 gibt, ist die Wahl aus fünf verschiedenen Lackierungen. Und auch die kosten nicht extra. Der Preis von 35 989 Franken ist ein Fixpreis.

Gute Reichweite

Mit einer Batteriegrösse von 65.7 kWh verspricht JAC eine Reichweite von 410 Kilometern, was im Segment, in dem sich der E-JS4 bewegt, ganz ansehnlich ist. In Realität sind es meist etwas weniger, aber die 300 Kilometer bei reiner Autobahnfahrt sind immer noch ein guter Wert. Auf der AR-Normrunde erreichte das SUV einen Verbrauch von 19.7 kWh/100 km bei sommerlichen Temperaturen und aktivierter Klimaanlage, was einer Reichweite von 330 Kilometern entspricht. Im Stadtverkehr sind die 410 Kilometer der Werksangabe also durchaus gut zu erreichen. Mit einem Gesamtverbrauch von 18.2 kWh/100 km über die gesamte Testdauer bewegt sich der Chinese im guten Mittelfeld und kann problemlos auch für etwas längere Autobahnfahrten eingesetzt werden. Bei der Schnellladung hapert es dann aber, für das rasche Zwischenladen auf langen Distanzen ist der E-JS4 nicht gemacht. JAC gibt eine Ladeleistung von maximal 60 kW an, was eher schwach ist. Im Test erreichte er allerdings unter guten Bedingungen auch bis zu 70 kW.

Das hochbeinige SUV ist weich abgestimmt und fällt mit starken Karosseriebewegungen auf. Ob man das mag, ist Geschmacksache. Ebenso die wenig direkte und gefühlslose Lenkung, die Kurvenfahrten wenig angenehm macht. Dazu kommt, dass das ESP nach Zufallsprinzip einzugreifen scheint – mal wird das Auto beim Beschleunigen aus einer Kurve spürbar eingebremst, mal drehen die Räder ungeregelt durch, gerade auf feuchtem Asphalt. Wer aber wirklich sehr anständig und wohldosiert in der Stadt unterwegs ist, wird sich daran meist nicht stören. Mit 142 kW (193 PS) ist der E-JS4 vernünftig motorisiert, die 9.4 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h sind nicht sportlich, aber ausreichend für den Alltag. Auffallend ist die aussergewöhnlich lange Reak­tionszeit beim Anfahren. Auch das Zurückrollen im Stand bereits bei minimaler Steigung ist für ein E-Auto ungewöhnlich, ebenso die beim Manövrieren schlecht dosierbaren Fahr- und Bremspedale. Keinen Anlass zu Kritik gibt der Durchzug: Ist das Auto einmal in Fahrt, spricht es direkt auf Gaspedalstösse an, und die 340 Nm Drehmoment reichen aus für dynamische Zwischenspurts. Das träge Anfahrverhalten lässt sich etwas abschwächen, wenn der Eco-Modus ausgeschaltet wird, der standardmässig aktiv ist. Das geschieht jedoch nicht auf Knopfdruck, sondern ist in einem Menü in den Fahrzeugeinstellungen versteckt. Auch zwei Rekuperationsstufen lassen sich dort wählen.

Das Segment der kleinen SUV ist beliebt – aber die Dichte an elektrischen Fahrzeugen erstaunlich gering. Das vorhandene Angebot mit Hyundai Kona Electric, Opel Mokka Electric und DS3 ist dünn gesät. Diese sind preislich etwas höher eingeordnet, auch qualitativ deutlich hochwertiger und besser ausgestattet sowie im Fahrverhalten sicherer. Allerdings kann bei der Reichweite in diesem Segment keiner dem JAC das Wasser reichen. Wer ­einen möglichst grossen Aktionsradius als höchste Priorität hat und dabei auf Technologie verzichten kann, darf den E-JS4 in Betracht ziehen.

Quelle: https://automobilrevue.ch/2023/06/14/guenstiger-weiter/